Gott scheint ihm eine «Spassbremse» zu sein. Andi führt ein Leben auf der Überholspur, jagt nach Anerkennung, Freiheit und Glück.
Wolfgang Bühne, Andreas Bühne
13. April 2017

 

Unerwartet stirbt Andi Bühne am 21. August 2016, 45-jährig. Er hinterlässt eine Frau und zwei Kinder. Wolfgang Bühne, sein Onkel und enger Freund, hielt die Traueransprache.

 

Andi wurde 1971 geboren und ist in Schwelm aufgewachsen. Seine Eltern waren überzeugte Christen. Es wurde gebetet, die Bibel gelesen und sonntags ging es in den Gottesdienst. Zweifel an Gottes Existenz hatte Andi nie – aber es war ihm äusserst peinlich, dass seine Kameraden wussten, dass Andis Eltern Christsein sehr ernst nahmen. Gott schien ihm eine «Spassbremse» zu sein und er tat alles, um jede Spur von Frömmigkeit zu verwischen. Zu stark beherrschte ihn der Wunsch nach Anerkennung bei seinen Freunden und Kameraden.


Wie cool waren wir doch!

«Bereits mit zehn Jahren habe ich gelogen und gestohlen, um bei meinen Klassenkameraden interessant zu sein», erzählt Andi. «Ich erfand Geschichten, um mich in den Vordergrund zu stellen. Bald darauf setzte ich auch Gewalt ein, obwohl ich selbst total Angst davor hatte. Das Leben machte Spass und ich hatte viele Freunde. Mein Plan schien aufzugehen.

Es dauerte nicht lange, bis ich im Alter von 14 Jahren mit Drogen in Berührung kam. Natürlich war ich derjenige, der sich traute, an der Tüte zu ziehen, auch wenn die anderen mich davor warnten. Was interessierte mich die Zukunft, es war doch alles nur ein Spiel –
ich wollte jetzt leben.

An die Berufswahl ging ich völlig emotionslos. Mit 16 Jahren fing ich eine Lehre zum Industrieschlosser an.

Während meiner Ausbildungszeit ging das alte Spiel weiter. Immer der Faxenkönig, ständig am Blaumachen und, anstatt ans Lernen zu denken, auf Partys unterwegs. Als Lehrlinge machten wir eine Wette, wer es schaffen würde, am längsten krankzufeiern. Ich gewann. Wegen angeblicher Herzstörungen blieb ich dem Betrieb ein ganzes Jahr fern.  

Kurz vor Ende meiner Ausbildung bestimmten Alkohol und Drogen so sehr mein Leben, dass ich die Ausbildung abbrechen musste. Ich hatte meinen Lehrmeister verhauen und musste – wen wundert’s – gehen.

Auto fuhr ich ohne Führerschein. Nach einer heftigen Party, ich konnte kaum noch stehen, borgte ich mir den Wagen eines Freundes. Meine Fahrt endete an einem Baum. Die Folge: 16 000 DM Schulden.

Gerüchte wurden gestreut, ich hätte mir das Leben nehmen wollen. Daran dachte ich aber nicht. Meine Familie hegte kurz die Hoffnung, dass ich jetzt endlich merken würde, wohin mein Lebensstil mich bringt. Aber schon im Krankenhaus ging die Party weiter.

Ich brauchte Geld, um die Schulden für den Schaden am Wagen zu bezahlen. Durch Einbrüche und Diebstähle hielt ich mich über Wasser. Schliesslich begann ich, mit einem Freund Drogen zu verkaufen. Wir schmuggelten aus Holland Marihuana und verkauften die Droge zunächst nur unter Freunden, später im grösseren Kreis.

Schnell entwickelte sich ein Geschäft und wir wurden immer leichtsinniger beim Schmuggeln. Als wir mit einer beträchtlichen Menge Drogen über die Grenze wollten, ging die Schranke runter und Grenzbeamte begannen, die Fahrzeuge vor uns zu kontrollieren. Ich sass am Steuer und wusste, jetzt würden sie mich kriegen. Schliesslich war ich vorbestraft und das bedeutete erst mal Knast für die nächsten Jahre. Zum ersten Mal seit langer Zeit betete ich und sagte zu Gott: «Wenn du mich hier durchkommen lässt, mache ich Schluss mit den Drogen und beginne ein anständiges Leben!» Zu dieser Zeit hatte ich noch lange Haare und man konnte mir ansehen, dass ich Drogen nahm. Als die Grenzbeamten fragten, woher wir kämen, sagte ich unverfroren, wir seien mit meinen Eltern im Wagen vor uns Kaffeetrinken gewesen. Der Zöllner winkte mich durch, ohne nach dem Führerschein zu fragen, den ich nicht besass.

Wir fuhren los, kriegten zunächst vor Anspannung kein Wort heraus, aber nach einigen Kilometern brachen wir vor Lachen zusammen: Wie cool waren wir doch! Das musste gefeierte werden. Wir stopften uns eine Pfeife. Kein Gedanke mehr an mein Gebet und mein Gelübde.

(Artikelauszug aus ethos 4/2017)