Wer darf mein Leben beeinflussen?
Nicola Vollkommer
3. Oktober 2025

Das Internet hat unser Leben revolutioniert – das steht ausser Frage. Die Social-Media-Prominenz erfreut sich derzeit eines riesigen Zulaufs. Makellos gestylte Influencerinnen zeigen mir, welches Make-up ich auflegen soll, damit ich hübsch und selbstsicher in den Tag starten kann, oder wie sich die Deko in meiner Wohnung farblich mit der Sitzgarnitur abstimmen lässt. «Momfluencer» überschütten mich mit Tipps, Tricks und Hacks, wie ich als gestresste Mama durch den Tag und die Nacht komme. Schmuck aussehende Prediger bieten mir einen Ohrenschmaus bi­blischer Auslegung, den ich mir, mit meiner Kaffeetasse in der Hand, von meinem Sessel im Wohnzimmer aus zu Gemüte führen kann. Bühnenreife Lobpreisballaden ersparen mir das Singen. Der mühsame Gang in den Sonntagsgottesdienst erübrigt sich. Frömmigkeit per Mausklick – wie bequem!

Mit dem Internet ist es wie mit jeder neuen Entwicklung: In den richtigen Händen bereichert es unser Leben. Informationen, Kommunikation und auch die Verbreitung des Evangeliums sind mit einem Tastendruck sofort möglich. Es eröffnen sich neue Wege der Multiplikation, aber auch neue Gefahren. Ein Mausklick, der mich auf eine Seite über christliche Apologetik führt, kann mich genauso schnell auf eine pornografische Seite bringen. Oder er lädt zum müssigen Surfen ein – natürlich unter der Begründung, dass ich mich informieren und weiterbilden muss. Vielleicht führt er mich auch zu Seiten christlicher Influencer, die schräge Thesen vertreten und in die Irre führen. 

«Prüft aber alles, das Gute haltet fest!» (1. Thess. 5,21). Die Frage nach den «Influencern» haben sich die ersten Christen schon gestellt. Wer darf mein Leben beeinflussen? Wie können wir Jugendlichen in unseren Familien und Gemeinden dabei helfen, sich im digitalen Minenfeld zurechtzufinden? Nach welchen Kriterien darf oder soll ich die christlichen Persönlichkeiten bewerten, die auf YouTube und in den sozialen Medien um meine Aufmerksamkeit werben? Worauf muss ich selbst achten, wenn ich im geistlichen Dienst digital unterwegs bin?

Jeder Christ ein Influencer 

Als ich einmal Schülerinnen und Schüler einer achten Klasse nach ihren Berufsträumen fragte, wussten viele von ihnen auf Anhieb, was sie werden wollten: YouTube-Influencer! Als Grund gaben sie an, dass man vor der Kamera plaudert und damit Unmengen an Geld verdient, ohne arbeiten zu müssen. Ich habe die Klasse scherzhaft darauf hingewiesen, dass man für anhaltenden Erfolg auch etwas zu sagen haben muss. Wir kamen zu dem Ergebnis, dass wir alle Influencer sind – in der Schule, im Beruf, in der Nachbarschaft, im Internet. Jesus sagte zu seinen Nachfolgern: «Ihr seid meine Zeugen.» Influencer sind nichts anderes als Zeugen. 

Die Zeiten, in denen öffentliche Kommunikation das exklusive Recht bekannter Schriftsteller, Politiker und Prediger war, sind vorbei. Heute kann jeder seine Gedanken ungebremst «unter die Leute» bringen. Was früher der Marktplatz, das Forum oder die römischen Bäder waren – Treffpunkt und Begegnungsstätte –, das ist heute das Internet. Der Apostel Paulus und die ersten Christen bedienten sich zu ihrer Zeit jeder Möglichkeit, um das Evangelium zu verbreiten. Paulus schrieb auch Briefe an die Gemeinden mit der Absicht, dass diese als «Newsletter» weitergeleitet werden – bis zum heutigen Tag!

Markus Voss von «Bibelfit» – ein christlicher Influencer im deutschen Raum, den ich sehr schätze – vergleicht das Internet mit einer Brechstange. Es hat eine Hebelwirkung und verstärkt die Kraft dessen, der es anwendet, wie ein Katalysator. Die Frage ist nur: Was wird hier verstärkt? Welche Hebelwirkung wird erzielt? 

Die Scheinwelt der digitalen Freundschaften

«XY hat dich markiert. XY hat dich eingeladen. XY folgt dir. Liken, Gefällt mir. Emojis, Gefühle. Was machst du gerade? Trending. XY lädt dich ein, der privaten Gruppe beizutreten.»

Diese «User»-Begriffe sind der Resonanzboden, auf dem digitale Influencer ihre Follower an Land ziehen: Die Sehnsucht nach Zugehörigkeit. «Hier findest du deine Clique, deine Community!»

Lesen Sie den ganzen Artikel in ethos 06/2025