«Entsetzt schauen wir in den Spiegel, als hätten wir allen Ernstes nicht damit gerechnet, dass ausgerechnet unser Kinn, unsere Wangen und Augenlider ihre Spannkraft jemals verlieren und nach unten sinken könnten.»
Silvia Konstantinou
19. Juni 2018

Wir alle wollen gerne alt werden, aber keiner will alt sein. Die Kunst des Altwerdens scheint am Buchmarkt ein Dauerbrenner zu sein, der auch die Prominenz bewegt, wie etwa folgende Titel beweisen: «Altwerden ist nichts für Feiglinge» (Joachim Fuchsberger) oder «Alter ist nichts für Phantasielose» (Lotte Tobisch). Das klingt, als bräuchte es dafür eine Spezialausbildung. Wie würde wohl mein eigener Titel lauten? Vermutlich «Altwerden nur mit Gott» –  denn ich brauche Ihn immer mehr.

Zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Wir haben oft die Vorstellung, ohne Falten und Nachlassen der Kräfte, ohne Einschränkungen und Schmerzen alt werden zu können. Zwar wollen wir gern wachsen, reifer und klüger werden, doch alles bitte ohne Anstrengung und Einsatz oder gar schmerzvolles Zurechtschleifen! Sofort am Ziel stehen, heisst die Zeitgeistdevise, die auch vor dem Alter nicht haltmacht. Nicht erst den Weg mühsam über Stock und Stein zu gehen, um schliesslich am Stock gehend zu enden, sondern fit und alterselastisch bis zur letzten Stunde unterwegs zu sein. Doch wer kann schon gemütlich Erfahrungen sammeln und sie lässig zur Altersweisheit umgestalten, ohne dabei Enge, Schmerzen, Trauer und Verluste zu durchwandern?

Obwohl jeder weiss, dass es so nicht geht, wird unser Unterbewusstsein von Bildern aus Werbung, Film- und Romanwelten gefangen genommen. Ausnahmen verstärken noch die Illusion, wie die Achtzigjährige, die sich beim Yoga verbiegt, wozu manche Dreissigjährige nicht fähig ist. Wir vergleichen und beurteilen unseren Zustand nach Äusserlichkeiten und Werten der säkularen Welt, wo die Lüge und Verdrehung zuhause ist. Entsetzt schauen wir in den Spiegel, als hätten wir allen Ernstes nicht damit gerechnet, dass ausgerechnet unser Kinn, unsere Wangen und Augenlider ihre Spannkraft jemals verlieren und nach unten sinken könnten. Dachten wir tatsächlich, es gäbe bei uns einmal keine Zeichen der Schwerkraft? Wer erkannt hat, dass Altern meist in Schüben vonstattengeht, erhebt den Spiegel schnell zum Ort des Dankes, solange uns unser Antlitz noch erfreulich entgegenblinzelt, denn die Veränderung naht verlässlich. Daher ist Humor ein unverzichtbares Utensil im Alter, das gepflegt sein will.

Reich in Gott

Einer Pflanze führen wir zum Gedeihen Wasser, Licht und Dünger zu, für fruchtbringendes Altern braucht es viel Bedachtsamkeit im Umgang mit dem, was wir aufnehmen, lesen, sehen, hören, womit wir uns täglich nähren, mit wem wir unsere Zeit verbringen und was wir besser meiden. Ursache und Wirkung – alles erfährt in Körper, Seele und Geist ein Echo und hinterlässt Spuren. Die Worte der Bibel, das Gebet, die Beziehung zu Gott und den Menschen werden zu unverzichtbaren Requisiten jedes gut gelebten Jahres.       

In der Jugend reizen wir den Schatz der Gesundheit aus Unbedachtsamkeit oft aus. Bei vielen setzt mit dem Abschied von einem gesunden, dynamischen Leben das grosse Erwachen ein und Jammern und Klagen beginnt. Doch muss sich die Geschichte nicht wiederholen, dass alte Freundinnen ausschliesslich über Krankheiten und zunehmende Unzulänglichkeiten austauschen, weil sie vor lauter Selbstbetrachtung sonst nichts mehr zu besprechen wissen. Wie schade, denn es gibt so viel Interessantes, und das kostbarste Thema ist und bleibt der Austausch über Gott. Ein Gott, der verspricht, uns bis zum grauen Haar durchzutragen, der treu mit jedem durch alle Alterstäler marschiert, der Ihm dafür Raum und Zeit gibt. Doch auch wenn wir es beizeiten versäumt haben sollten, eine lebendige und stabile Beziehung zu unserem Schöpfer aufzubauen, ist es im Alter (wie in der Not) nie zu spät. Gott verteilt seine Geschenke gern und grosszügig: Gnade, Liebe, Barmherzigkeit, Vergebung, Versöhnung, Ermutigung, Erbauung.

Meine Mutter entwickelte erst spät einen persönlichen Glauben, doch wie kostbar wurde dieser in den Jahren der Demenz. Wie dankbar war sie für aufgeschriebene Bibelverse, die ihr Mut zusprachen, und wie heilsam zeigte sich jede gemeinsame Gebetszeit. Ängste, Nervosität, geistige Verwirrung, Spannungszustände mussten weichen, denn es war offensichtlich, wie ihre kleine aus den Fugen geratene Welt durch Gottes Wahrheit wieder zurechtgerückt wurde.

Lesen Sie den ganzen Artikel in ethos 06/2018.